Die Bergmanderln und der Müllner
Zwischen Eibenstein und Rabbs a. d. Thaya liegt eine Reihe von Mühlen, die noch vor etwa sechzig Jahren unter den alten Namen Lehstein-, Oberfinnigsteig-, Unterfinnigsteig- und Rothmühle bekannt waren.
Bei der Rothmühle war eine Überfuhr eingerichtet (noch bis auf unsere Tage, als die Mühle einem gewissen Haidl gehörte), weil hier, auf der linken Seite des Flusses, der Steig nicht mehr benützbar war, da die Felsen ganz an das Wasser heranreichten. In der Zeit nun, als noch ein Vorfahre des letzten Rothmüllers lebte, hörte der einmal spätabends, als er in der Mahlstube Nachschau hielt, das bekannte „Hol über“, aber von einer feinen Stimme, laut gerufen.
Als er daraufhin ans Ufer ging und auf die andere Seite blickte, sah er eine Anzahl Kinder, wie er glaubte, stehen, die überfahren wollten. Er fuhr also auf die andere Seite des Ufers und war dann sehr erstaut, als er da eine Menge Bergmanderln stehen sah, die ihn um Gottes Lohn baten, sie ans rechte Ufer der Thaya zu bringen.
Währenddem kamen aber immer mehr solcher Manderln, und zwar alle aus dem Kolmannsberge, so viele, daß der Müller eine ganze Stunde hin und her fahren mußte, und immer war das Boot voll kleiner Menschen. An rechten Flußufer angekommen, verschwanden die Bergmanderln alsbald spurlos in der Richtung gegen die Teufelskirchenhöhe, wie der bergige Wald am rechten Ufer der Thaya zwischen der Kolmannsburg und dem Graben gegen Goslarn und Zettenreith zu heißt.
Seit der Zeit aber hatte der Müllner Glück in allen seinen Unternehmungen. Im Kolmannsberge, der innen hohl ist, sollen aber noch andere Bergmanderln hausen.
Quelle: Franz Kießling: Frau Saga im niederösterreichischen Waldviertel, Bd. 4, S. 13 f.